Nachhaltigkeitskommunikation

Nachhaltige Kommunikation ist Risikomanagement

Verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln ist schon lange kein Trend mehr, der irgendwann wieder vorbeigeht. Das haben inzwischen die meisten Unternehmen verstanden. Aber die richtige Mitte zwischen Tun und Reden zu finden, gelingt nicht immer. Wo liegen die Chancen und die Risiken von Nachhaltigkeitskommunikation? Wir sprachen mit der Kommunikationsberaterin Vivien Nikolic über Purpose, Green Pressure und Greenwashing.

Vivien Nikolic Nachhaltigkeitskommunikation
Vivien Nikolic, freie Redakteurin und Kommunikationsberaterin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit.
Foto: privat

news aktuell: Was verstehen Sie unter "nachhaltiger Kommunikation"? Wahrscheinlich würde es zu kurz greifen, sie nur mit "Kommunikation über das nachhaltige Wirtschaften des Unternehmens" zu umschreiben, oder?

Nikolic: Klassischerweise sind damit alle Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens zu sozialen oder ökologischen Themen gemeint, mit dem Nachhaltigkeitsbericht als das wohl bekannteste Format. Aber tatsächlich ist Nachhaltigkeitskommunikation noch mehr als das. Sie ist zum Beispiel auch eine Form von Risikomanagement – zumindest, wenn Unternehmen nicht nur Einwegkommunikation betreiben, sondern auch regelmäßig mit ihren Stakeholdern sprechen. Denn dann erkennen sie, welche Nachhaltigkeitsthemen gerade wichtig sind und können rechtzeitig darauf reagieren. Außerdem sollte moderne Nachhaltigkeitskommunikation immer ein Versprechen an Transparenz und Ehrlichkeit sein – um Greenwashing zu umschiffen und weil Vertuschen und Verstecken heutzutage einfach grob fahrlässig sind.
 
news aktuell: Immer mehr Unternehmen setzen darauf, ihrem Tun eine "Sinnhaftigkeit" zu geben. Mehr Schein als Sein? Sinnstiftung nur um der Sinnstiftung willen geht doch nicht gut, oder? Gibt es auch Unternehmen, bei denen es einfach nicht passt?

Nikolic: Das beobachte ich auch und halte es grundsätzlich für eine gute Sache, dass immer mehr Unternehmen sich die Frage nach dem "Warum" stellen. Für mich kommt es darauf an, was das Unternehmen dann mit dieser Erkenntnis macht: Nutzt es sie intern, um seine Mitarbeiter*innen zu motivieren? Oder startet es gleich eine großangelegte Imagekampagne? Mein Tipp: den eigenen Purpose wirklich nur für die externe Kommunikation nutzen, wenn es zum Unternehmen und seinem Geschäftsfeld passt. Nicht jedes Unternehmen kann guten Gewissens von sich behaupten, einen höheren Zweck zu erfüllen – und dann sollte es das auch nicht tun.
 
news aktuell: Müssen sich Unternehmen durch den gesellschaftlichen Druck stärker in wichtigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen positionieren, also Haltung zeigen? Auch wenn sie Gefahr laufen, mit Shitstorms überzogen zu werden?

Nikolic: Der viel gefürchtete Shitstorm droht ja nur, wenn ich etwas behaupte, das nicht der Wahrheit entspricht. Und sich zu positionieren, heißt nicht automatisch, Unwahrheiten zu verbreiten. In meinem Verständnis von Nachhaltigkeitskommunikation geht es gerade auch darum, zu den eigenen Lücken zu stehen und Fehler nicht unter den Teppich zu kehren. Solange ein Unternehmen das tut, ist es völlig legitim, gleichzeitig auch auf Erfolge und die eigenen Stärken hinzuweisen. Abgesehen davon kommen Unternehmen langfristig nicht darum herum, sich zum Thema Nachhaltigkeit zu positionieren. Vor allem auch auf inhaltlicher Ebene. Denn – und das ist fast schon ein alter Hut: Nachhaltigkeit ist kein Trend, der irgendwann wieder vorbeigeht.
 
news aktuell: Sich nachhaltig nennen kann jeder. Die Herausforderung liegt in der Umsetzung und der Stimmigkeit zwischen Reden und Tun, oder? 

Nikolic: Das stimmt. Besonders wichtig ist neben der Stimmigkeit, dem "Fit" zwischen Tun und Reden, auch die Reihenfolge. Und die ist eindeutig: Erst machen, dann kommunizieren. Also, lieber erstmal nordisches Understatement an den Tag legen und im Hintergrund an konkreten Maßnahmen und Zielen arbeiten. Und wenn das Fundament dann erstmal steht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das eigene Tun als Greenwashing abgestempelt wird, schon sehr viel geringer. Darüber hinaus braucht es im Sinne der Glaubwürdigkeit immer Zahlen und Fakten – also Belege, dass sich wirklich etwas tut. Nachhaltigkeitskommunikation sollte nie allein aus qualitativen Beschreibungen bestehen.

Vivien Nikolic ist freie Redakteurin und Kommunikationsberaterin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Sie hilft Organisationen dabei, ihren sozialen und ökologischen Impact sichtbar zu machen und ihre Zielgruppen mit guter Nachhaltigkeitskommunikation zu überzeugen. Nach ihrem Master in Nachhaltigkeitsökonomie an der Universität Oldenburg machte Vivien Nikolic ein Volontariat in der Unternehmenskommunikation von OTTO. Anschließend arbeitete die Wahl-Hamburgerin einige Jahre als Redakteurin und Beraterin bei der Nachhaltigkeitsberatung Stakeholder Reporting. In dieser Zeit war sie für Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen tätig: von Telekommunikation über Mobilität bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Seit 2017 gibt sie nebenberuflich Seminare zum Thema Daten-PR, seit 2020 auch zu ihrem Lieblingsthema, der Nachhaltigkeitskommunikation.

Interview: Beatrix Ta

Mehr zum Thema: