Pressemitteilungen: Klasse statt Masse

Wenn er eine Pressemitteilung über ein Windkraftprojekt in Schleswig-Holstein bekommt, landet diese sofort im digitalen Papierkorb. Christoph Ebner leitet das Studio Freiburg des SWR. Zu viele Pressestellen arbeiten immer noch nach dem Prinzip “Masse vor Klasse”, und das in Zeiten, in denen gezielte Kommunikation immer einfacher wird. In unserer Reihe „Wer liest eigentlich Pressemitteilungen?” fragen wir in unregelmäßigen Abständen, was Journalisten und Journalistinnen unterschiedlichster Mediengattungen von PR-Material erwarten, wie sie neue Themen recherchieren und was sie sich unter einem guten Dialog mit Kommunikationsverantwortlichen aus Unternehmen vorstellen.

Christoph Ebner SWR Freiburg Studioleitung
Christoph Ebner, Studioleitung beim SWR Freiburg. Foto: Alexander Kluge/SWR

news aktuell: Könnten Sie uns Ihren Arbeitsalltag in ein paar Sätzen beschreiben?

Ebner: Im SWR-Regionalstudio Freiburg werten wir alle eingehenden Informationen aus, dazu gehören auch Pressemitteilungen. Zum Teil werden daraus direkt Meldungen für die Nachrichten generiert, zum Beispiel aus den Pressemitteilungen von Behörden wie Polizei und Feuerwehr, aber auch Parteien, Verbänden, Unternehmen und Interessenvertretungen. Selbstverständlich fragen wir dort auch nach, brauchen eventuell noch O-Töne, Videostatements etc. Pressemitteilungen sind ganz oft auch Anlass für Recherchen, wenn wir in den Texten Themen entdecken, die wichtig, spannend, neu, originell, unterhaltsam sind für die Menschen in Südbaden oder Baden-Württemberg. Unser Job in der Redaktion Südbaden Aktuell ist es, die Themen gut und richtig einzuordnen. Wir wollen den Menschen deutlich machen, warum ein Thema wichtig ist für sie oder wichtig werden kann. Je nachdem, ob ein Thema dann auf die SWR Aktuell App geht, in Social Media ausgespielt wird, auf die Webseite geht als Artikel, ins Radio kommt oder ins Fernsehen, brauchen wir jeweils eine mediengerechte Umsetzung. Pressemitteilungen geben ganz oft Impulse für solche Umsetzungen.

news aktuell: Wie recherchieren Sie neue Themen?

Ebner: Die wichtigste Frage ist für mich, ob ein Thema relevant und wichtig ist für unsere User*innen, Hörer*innen, Zuschauer*innen. Das können wir nur klären, wenn wir die Themen selbst verstehen – wir arbeiten nach der alten Nachrichtenregel, die immer noch richtig ist: Verstehen und einordnen ist die Basis. Die Recherche ist dafür da, den Dingen auf den Grund zu gehen und letztendlich auch Fakten herauszufinden, die so noch nicht bekannt sind. Prof. Michael Haller hatte schon recht mit seiner Definition von Recherche: „Recherchieren ist (…) ein Verfahren zur Beschaffung und Beurteilung von Aussagen, die ohne dieses Verfahren nicht preisgegeben, also nicht publik würden.“ Diese Definition von Recherche hat mir schon immer sehr gefallen. Eine Pressemitteilung 1:1 ins Programm zu heben, das ist keine journalistische Leistung. Für die multimediale Ausspielung ist auch wichtig zu klären: Wer kann uns etwas dazu ins Mikrofon oder in die Kamera sagen, wo können wir drehen, hat heute noch ein wichtiger Gesprächspartner oder eine wichtige Gesprächspartnerin Zeit für uns?

news aktuell: Wie muss PR-Material aussehen, mit dem Sie etwas anfangen können?

Ebner: Ganz einfach: Es muss professionell aufbereitet sein. Pressemitteilungen müssen sofort auf den Punkt kommen. Wir mögen es knapp, konkret, schnell, verständlich, Texte in einfacher Sprache und kein Fachchinesisch. Gerne mit Fotos. PR Material muss Ansprechpartner nennen, die dann tatsächlich auch erreichbar sind. Wenn uns Werbung als Pressematerial verkauft wird, werden wir verständlicherweise nicht jubeln. Und wer uns sein Windkraftprojekt in Schleswig-Holstein als Pressemitteilung in den südlichsten Zipfel von Baden-Württemberg, nämlich nach Freiburg schickt, hat leider nicht verstanden, woher der Wind weht und dass der digitale Papierkorb groß ist. Wir bekommen sehr viele Mitteilungen, die für unsere Region nicht relevant sind. Ich frage mich oft, warum viele Pressestellen in Zeiten gezielter Kommunikation noch mit so viel Streuverlust arbeiten. Klasse geht doch vor Masse.

news aktuell: Welche Fehler machen Absender von Pressematerial immer wieder?

Ebner: Wenn uns heiße Luft als wichtige Neuigkeit verkauft wird, dann ist das komplett daneben. Genauso verhält es sich, wenn versucht wird, uns „olle Kamellen“ unterzuschieben. Oder wenn wichtige Mitteilungen über Verluste, Pannen oder Rückschläge nur im Kleingedruckten zu finden sind, weil versucht wird, sie mit großtönenden Erfolgsmeldungen zu kaschieren. Das fällt auf und geht schief. Und wenn ich nach dem zweiten Satz nicht verstanden habe, um was es eigentlich geht, ist das Pressematerial wertlos. Genauso ärgerlich ist es, wenn Pressemitteilungen zusätzlich noch an jede einzelne Redakteurin oder jeden einzelnen Redakteur geschickt werden oder mehrfach angerufen wird, ob wir das verschickte Pressematerial umgesetzt haben. Pressestellen sollten schon auch unser Programm bzw. unsere Angebote im Netz beachten. Wir schätzen es, mit Profis zu arbeiten.

news aktuell: Wie möchten Sie angesprochen werden, wie nicht?

Ebner: Mit nachrichtlich aufgebauten Texten, so kurz wie möglich, so lang wie nötig. Alles andere ist dann unser Job.

6 Dos and Don´ts für Pressemitteilungen

  1. Pressemitteilungen sollten Impulsgeber für Redaktionen sein.
  2. Pressemitteilungen sind für die Zielgruppe relevant, wichtig, spannend, neu, originell oder unterhaltsam – kurz: Sie erfüllen die Nachrichtenfaktoren.
  3. Pressemitteilungen müssen sofort auf den Punkt kommen: Sie sind knapp, konkret, verständlich und in einfacher Sprache verfasst.
  4. Pressemitteilungen sind sachlich und neutral im nachrichtlichen Stil, sie sind keine Werbung. 
  5. Pressemitteilungen sollten nur Medienschaffenden geschickt werden, für die der Inhalt wirklich relevant ist: gezielte Kommunikation statt Gießkanne.
  6. Pressemitteilungen enthalten konkrete Angaben zu Ansprechpersonen für Rückfragen – die dann auch erreichbar sein sollten.